Monday, September 17, 2018

Für den Nachbarn ist Scientology eine Geldmaschine

Im Basler Iselinquartier herrscht Aufruhr. Ende April hat Scientology dort ein neues Zentrum eröffnet. Familienvater Thomas Erlemann führt den Widerstand an und formuliert die Ängste des Quartiers. Patrick Schnidrig, Präsident von Scientology Basel, antwortet darauf.
Am 25. April hat Scientology in Basel ein neues Zentrum eröffnet. Zur Einweihungsfeier kamen laut Scientology rund 2500 Mitglieder, viele aus dem Ausland. Sogar der oberste Scientologe, David Miscavage, flog extra aus den USA ein. Gestört wurde die Eröffnungsfeier von einer Anwohnergruppe, die lautstark gegen die Präsenz der Sekte im Wohnquartier protestierte.
Laut Thomas Erlemann (50) kamen rund 300 Personen. Der Sozialpädagoge hat für das Migros-Magazin fünf Sorgen der Nachbarschaft formuliert. Patrick Schnidrig (47), Immobilienunternehmer und Präsident von Scientology Basel, antwortet darauf:
Eine Sekte in einem Wohnquartier, das geht einfach nicht. Wir befürchten, dass Scientology aktiv missioniert. Erste Flyer in Briefkästen gab es bereits.
In anderen Ländern bietet Scientology günstige Nachhilfestunden für Schulkinder an und versucht so, über ahnungslose Kinder und Jugendliche an die Eltern heranzukommen. Planen Sie so was auch bei uns?
Nein, wir planen keine Nachhilfestunden für Schulkinder. Aber ein wichtiger Teil der Scientology ist unsere Studier­Technologie. Bildung ist wohl das wichtigste Fundament für Erfolg und Selbständigkeit im Leben. Die Fähigkeit, zu studieren, ist unersetzlich. Wir bieten das weltweit an, auch in Basel.
Scientology bezeichnet sich selbst als Kirche. Beschäftigt man sich aber näher damit, spricht mit Ehemaligen oder schaut den neuen Dokumentarfilm «Going Clear: Scientology and the Prison of Belief» des US-Bezahlsenders HBO an, wird klar: Das ist keine Religion, sondern eine gut organisierte Betrügerbande, eine reine Geldmaschine, deren Ziel es ist, ihren Anhängern so viele Mittel wie möglich aus der Tasche zu ziehen.
Es ist völlig okay, dass es Ehemalige gibt, die gibt es überall. Scientology bietet Wissen und Werkzeuge für die alltäglichen Herausforderungen im Leben, für Beruf und Familie. Und ja, die Dienste und Bücher kosten etwas. Das ist völlig legitim, und wir finanzieren uns so. In vielen Ländern sind wir als Religion anerkannt, sogar der Bundesrat erklärte, dass wir als Religionsgemeinschaft zu behandeln sind. Es ist uns sehr wichtig, dass Leute sich aus erster Hand informieren und so sehen, dass Falschinformationen kursieren. Unser neues Gebäude gibt dazu eine gute Möglichkeit. HBO macht übrigens keine Dokumentarfilme, sondern erstellt gegen Bezahlung völlig einseitige Angriffe gegenüber Organisationen, so auch gegen den verstorbenen Apple-Chef Steve Jobs und andere.
Die Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel sind keine 500 Meter entfernt vom neuen Zentrum. Die Psychiatrie jedoch gehört zu den Lieblingsfeinden von Scientology – diese Nachbarschaft birgt grosses Konfliktpotenzial. Kommt hinzu, dass psychisch labile Menschen zu den Hauptopfern von Sekten gehören.
Wir suchen keinen Konflikt, sondern weisen darauf hin, dass hinter der Psychiatrie ein Milliardengeschäft mit Psychopharmaka steckt. Wer glaubt, dass mit Pillen die Probleme des Lebens langfristig gelöst werden, glaubt auch an den Osterhasen. Psychiatrie versucht, Menschen anzupassen und stillzuhalten. Elektroschocks werden auch in der Schweiz noch gegeben und heissen heute aus marketingtechnischen Gründen Elektrokrampftherapie. Wir wollen, dass Menschen lebendiger sind und sich persönlich entfalten können.
Scientology agiert vor allem über Immobilienfirmen, oft weiss man nicht, dass die was mit der Sekte zu tun haben. So gelingt es, klammheimlich mehr Gebäude und Land zusammenzukaufen. Wir fürchten, dass das Zentrum hier so noch weiter wächst, und wir wollen wirklich nicht das neue Schweizer Clearwater werden (der Hauptsitz der Scientology befindet sich in Clearwater, Florida, USA, Anm. d. Red.).
Ich bin seit 20 Jahren Unternehmer im Immobilienbereich und seit 19 Jahren Präsident der Basler Scientologen. Beides ist im Handelsregister seit jeher offengelegt, und ich habe es bei jeder Presseanfrage bestätigt. Das einzige Projekt, das ich im Iselinquartier realisiere, ist die Umgestaltung von 50 oberirdischen, betonierten Parkplätzen in ein neues Wohnhaus mit einer Tiefgarage und einer schönen Begrünung. Dies ist im Sinne der Stadt Basel, trägt zur Stadtentwicklung bei und schafft zusätzlichen Wohnraum. Es hat nichts mit Expansionsplänen von Scientology zu tun. Unser Gebäude reicht uns. 
Patrick Schnidrig in den Räumen des neuen Scientology-Zentrums im Basler Iselinquartier.
Nachbar Thomas Erlemann leitet den Widerstand der Quartierbewohner gegen die Sekte.

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