Thursday, November 29, 2018

«Wir werden vom Sekten-Chef terrorisiert»

Basel. Fatma Akin wirkt müde. Sie schlafe schlecht und seit Kurzem sei sie auch in psychiatrischer Behandlung. Der ewige Streit mit Scientologen in ihrem Haus gehe ihr langsam an die Substanz. Seit über neun Jahren wohnt das Ehepaar Hüseyin und Fatma Akin in einem sechsstöckigen Wohnhaus am Claraplatz. Das Paar werde notorisch von nächtlichen Klingelstreichen aus dem Schlaf gerissen. Es ertappe Scientologen im Treppenhaus dabei, wie sie ihre privaten Sachen durchwühlen und fotografieren. Zudem werde Fatma Akin vor ihrem Haus von den immer gleichen Scientologen belästigt. Sie würden ihr den Zugang zum Haus verwehren oder sie verbal angehen. Die kleine Frau wisse sich dagegen nicht zu wehren. «Ich verlasse das Haus nur noch mit Hüseyin zusammen», sagt Fatma Akin.
Doch weshalb wird ausgerechnet das Paar Akin vom «Poltergeist Scientology» heimgesucht? Die Eigentümerverhältnisse des Wohnhauses geben Aufschluss: Die Liegenschaft gehört dem Basler Scientology-Präsidenten Patrick Schnidrig, der mehrere Liegenschaften im Raum Basel besitzt. Darunter auch die Parzelle an der Burgfelderstrasse, wo die grösste Zentrale der Schweizer Scientology errichtet wurde. Seit Jahren betreibt die Sekte im ersten Stock in dem Haus am Claraplatz auch ein Büro. «Anfangs hatten wir ein sehr nettes Verhältnis mit Patrick Schnidrig», sagt Hüseyin Akin. Doch mit einigen grossen Umbauarbeiten im Haus und dem verstärkten Auftreten von Scientologen im und vor dem Haus sei die Lage eskaliert. fuck
Fremde Hände in der Post
Das Hauptproblem der Akins mit den Sektenmitgliedern habe Anfang Jahr begonnen. «Aufgrund des Klingelterrors, haben wir eine Überwachungskamera am Hauseingang angebracht und da die Scientologen meine Frau bedrängten, zur Sicherheit auch eine bei der Haustüre», sagt Hüseyin Akin. Die Kamera vor dem Haus habe Schnidrig selber bewilligt, sie jedoch vor einigen Wochen wieder verboten.
Das Paar vermutete zudem, dass seine Stromrechnung künstlich in die Höhe getrieben wurde. Auf Nachfrage hätten die Industriellen Werke Basel denn auch bestätigt, dass der Strom für die Scientology-Werbefilme im Schaukasten vor dem Haus tatsächlich Akins berechnet worden sei. Schnidrig korrigierte und die Kosten halbierten sich.
Ein Fehler, der schnell behoben war, doch die Aufzeichnungen der Kameras bringen Schnidrig selbst in Erklärungsnot. Nicht als Immobilieneigentümer, sondern als Präsident von Scientology. Denn auf der Kamera sieht der Betrachter, wie zwei Scientologen, die sonst vor dem Haus missionieren, mit dem Lift in den dritten Stock fahren und die Schuhschränke des Paars durchwühlen und auch mal etwas mitgehen lassen. Ebenfalls sieht man vor dem Hauseingang, wie ein Mitarbeiter von Schnidrig die Briefkästen durchwühlt und sich die Post der Bewohner ansieht. Über seinen Chef lässt der Mitarbeiter mitteilen, dass er lediglich einen Hausschlüssel holen wollte, der von Scientology-Mitgliedern in den Briefkasten gelegt worden sei. Auf der Überwachungskamera sieht man, dass der Mitarbeiter gleich mehrere Kästen öffnet und deren Inhalt studiert.
Gängige Praxis
Auch der dort angestellte Hauswart, den man auf den Überwachungsbildern dabei sieht wie er die Schränke des Ehepaars Akin durchwühlt und diese fotografiert, ist Mitglied von Scientology. In einem E-Mail an das Ehepaar Akin bestreitet Schnidrig zuerst, dass sein Hauswart Mitglied der Sekte sei. Im Gespräch mit der BaZ räumt er dies jedoch ein, da man den Herrn des Öfteren beim Missionieren am Claraplatz trifft. «Er ist ebenfalls diplomierter Bauingenieur und schaute nach brennbarem Material in den Kästen. Diese sind gemäss Feuerschutzgesetz unberechtigt von Herr Akin dort angebracht worden», so Schnidirg.
Das Ausspionieren und Denunzieren von Menschen, die gegenüber Scientology kritisch eingestellt sind, ist eine gängige und systematische Praxis von Scientologen. Doch einfach klein beigeben will das Ehepaar Akin nicht. «Wir haben hier eine schöne Wohnung an günstiger Lage. Die wollen wir nicht aufgeben. Auch nicht wegen ein paar Scientologen.» Einen Rauswurf würde das Paar juristisch anfechten.

Monday, September 17, 2018

Für den Nachbarn ist Scientology eine Geldmaschine

Im Basler Iselinquartier herrscht Aufruhr. Ende April hat Scientology dort ein neues Zentrum eröffnet. Familienvater Thomas Erlemann führt den Widerstand an und formuliert die Ängste des Quartiers. Patrick Schnidrig, Präsident von Scientology Basel, antwortet darauf.
Am 25. April hat Scientology in Basel ein neues Zentrum eröffnet. Zur Einweihungsfeier kamen laut Scientology rund 2500 Mitglieder, viele aus dem Ausland. Sogar der oberste Scientologe, David Miscavage, flog extra aus den USA ein. Gestört wurde die Eröffnungsfeier von einer Anwohnergruppe, die lautstark gegen die Präsenz der Sekte im Wohnquartier protestierte.
Laut Thomas Erlemann (50) kamen rund 300 Personen. Der Sozialpädagoge hat für das Migros-Magazin fünf Sorgen der Nachbarschaft formuliert. Patrick Schnidrig (47), Immobilienunternehmer und Präsident von Scientology Basel, antwortet darauf:
Eine Sekte in einem Wohnquartier, das geht einfach nicht. Wir befürchten, dass Scientology aktiv missioniert. Erste Flyer in Briefkästen gab es bereits.
In anderen Ländern bietet Scientology günstige Nachhilfestunden für Schulkinder an und versucht so, über ahnungslose Kinder und Jugendliche an die Eltern heranzukommen. Planen Sie so was auch bei uns?
Nein, wir planen keine Nachhilfestunden für Schulkinder. Aber ein wichtiger Teil der Scientology ist unsere Studier­Technologie. Bildung ist wohl das wichtigste Fundament für Erfolg und Selbständigkeit im Leben. Die Fähigkeit, zu studieren, ist unersetzlich. Wir bieten das weltweit an, auch in Basel.
Scientology bezeichnet sich selbst als Kirche. Beschäftigt man sich aber näher damit, spricht mit Ehemaligen oder schaut den neuen Dokumentarfilm «Going Clear: Scientology and the Prison of Belief» des US-Bezahlsenders HBO an, wird klar: Das ist keine Religion, sondern eine gut organisierte Betrügerbande, eine reine Geldmaschine, deren Ziel es ist, ihren Anhängern so viele Mittel wie möglich aus der Tasche zu ziehen.
Es ist völlig okay, dass es Ehemalige gibt, die gibt es überall. Scientology bietet Wissen und Werkzeuge für die alltäglichen Herausforderungen im Leben, für Beruf und Familie. Und ja, die Dienste und Bücher kosten etwas. Das ist völlig legitim, und wir finanzieren uns so. In vielen Ländern sind wir als Religion anerkannt, sogar der Bundesrat erklärte, dass wir als Religionsgemeinschaft zu behandeln sind. Es ist uns sehr wichtig, dass Leute sich aus erster Hand informieren und so sehen, dass Falschinformationen kursieren. Unser neues Gebäude gibt dazu eine gute Möglichkeit. HBO macht übrigens keine Dokumentarfilme, sondern erstellt gegen Bezahlung völlig einseitige Angriffe gegenüber Organisationen, so auch gegen den verstorbenen Apple-Chef Steve Jobs und andere.
Die Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel sind keine 500 Meter entfernt vom neuen Zentrum. Die Psychiatrie jedoch gehört zu den Lieblingsfeinden von Scientology – diese Nachbarschaft birgt grosses Konfliktpotenzial. Kommt hinzu, dass psychisch labile Menschen zu den Hauptopfern von Sekten gehören.
Wir suchen keinen Konflikt, sondern weisen darauf hin, dass hinter der Psychiatrie ein Milliardengeschäft mit Psychopharmaka steckt. Wer glaubt, dass mit Pillen die Probleme des Lebens langfristig gelöst werden, glaubt auch an den Osterhasen. Psychiatrie versucht, Menschen anzupassen und stillzuhalten. Elektroschocks werden auch in der Schweiz noch gegeben und heissen heute aus marketingtechnischen Gründen Elektrokrampftherapie. Wir wollen, dass Menschen lebendiger sind und sich persönlich entfalten können.
Scientology agiert vor allem über Immobilienfirmen, oft weiss man nicht, dass die was mit der Sekte zu tun haben. So gelingt es, klammheimlich mehr Gebäude und Land zusammenzukaufen. Wir fürchten, dass das Zentrum hier so noch weiter wächst, und wir wollen wirklich nicht das neue Schweizer Clearwater werden (der Hauptsitz der Scientology befindet sich in Clearwater, Florida, USA, Anm. d. Red.).
Ich bin seit 20 Jahren Unternehmer im Immobilienbereich und seit 19 Jahren Präsident der Basler Scientologen. Beides ist im Handelsregister seit jeher offengelegt, und ich habe es bei jeder Presseanfrage bestätigt. Das einzige Projekt, das ich im Iselinquartier realisiere, ist die Umgestaltung von 50 oberirdischen, betonierten Parkplätzen in ein neues Wohnhaus mit einer Tiefgarage und einer schönen Begrünung. Dies ist im Sinne der Stadt Basel, trägt zur Stadtentwicklung bei und schafft zusätzlichen Wohnraum. Es hat nichts mit Expansionsplänen von Scientology zu tun. Unser Gebäude reicht uns. 
Patrick Schnidrig in den Räumen des neuen Scientology-Zentrums im Basler Iselinquartier.
Nachbar Thomas Erlemann leitet den Widerstand der Quartierbewohner gegen die Sekte.